Zuhause mit meinem Kater.
Es ist Samstag, 11 Uhr vormittags, die Sonne scheint, der Himmel ist blau, ich überlege was ich schönes machen werde heute.
Plötzlich klingelt mein Handy, eine seltene Anruferin, ich gehe freudig ans Telefon, doch bereits nach dem ersten Satz spüre ich wie mein Kopf anfängt zu rattern..
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„Hallo, ich habe hier gerade eine Katze entdeckt, sie geht geduckt, blutet aus Mund und Nase, vielleicht ist sie angefahren. Ich weiß einfach nicht, wen ich sonst anrufen soll.“
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„Wo seid ihr? Ganz in meiner Nähe… Ich schnappe mir eine Transportbox und komme vorbei.“
Kurz Meldung für meinen Mann.
Parallel checkt meine Freundin wer heute Notdienst hat, falls wir die Katze bekommen, muss sie sicher untersucht werden.
Ich packe Transportbox, Leckerlies und eine Spielangel ein, man weiß ja nie.
10 Minuten nach dem Anruf bin ich vor Ort. Die Katze sitzt unter einem Auto. Ich gehe hin und sehe sie an. Sobald ich ihr Gesicht erblicke muss ich mich vom Auto entfernen. Ich muss weinen, ich spüre förmlich wie das Elend dieser Katze sich in meinen Körper verteilt. Sofort bekomme ich das Gefühl, dass dieses Tier enorm leiden muss.
Es ist eine schwarze Katze. Ihr tropft Blut aus der Schnauze, ihre Nase schnauft Blasen und ihre Augen sind extrem verkrustet. Ein massiver Befall von Katzenschnupfen ist nicht von der Hand zu weisen.
Locken lässt sie sich nicht, aber plötzlich kommt Bewegung ins Spiel. Wir sind zu dritt und das Tier offensichtlich sehr geschwächt, sie kann relativ leicht eingefangen werden. Wir legen sie in den Korb und ich rufe sofort den tierärztlichen Notdienst an.
Ich verabschiede mich von meinem Helfern und fahre mit der Katze in die Praxis am Poser.
Als ich ankomme bin weine ich, als wir warten weine ich und nach der Stellungsnahme weine ich. Ich weiß nicht warum, eigentlich wußte ich, weshalb wir hier her gefahren sind. Wir wollten, dass sie keine Schmerzen mehr haben muss.
Sehr schnell wird erkannt das sie völlig dehydriert ist, ihre Unterlippe und Zunge ist mit Geschwüren übersät, ihre Temperatur liegt bereits bei 34°C, insgesamt könnte man eine fortgeschrittene Niereninfektion vermuten. Der Schnupfen ist offensichtlich.
Ich merke selbst, wie der Kopf des Tieres immer schwerer wird. Ich rede die ganze Zeit zu ihr, sage ihr, dass gleich alles gut wird. Ich kann meine Tränen auch dabei nicht zurückhalten.
Ich bitte darum, dass Tier Sternchen zu nennen.
Sternchen wird erlöst. Sie muss nicht mehr Leiden und schläft ein während ich sie streichel und mich einfach leer fühle.
Sternchen war tatsächlich ein nicht kastrierter Kater ohne Kennzeichnung. Er war vom Leben gezeichnet und von den Menschen die wegsahen. Sternchen muss schon lange krank gewesen sein. Laut Tierärztin wäre sie wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden alleine gestorben, erfroren oder überfahren worden, weil sie schon so schwach war.
Es handelt sich bei Sternchen evtl. um einen wilden Kater, aber er war auch offensichtlich krank. Er wurde in einer Wohnsiedlung gefunden, er muss gesehen worden sein, warum hat niemand etwas gemacht? Auch wilde Katzen kann man versuchen in sogennanten Lebendfallen zu kriegen und sie zumindest medizinisch zu versorgen. Vielleicht hätte Sternchen dann ein längeres Leben gehabt. Auch Streuner können glücklich sein, wenn die Mensch sie nicht komplett ignorieren.
In meine Trauer mischt sich ein Gefühl der Wut auf „die Menschen“.
Warum hat sich niemand gemeldet? Den Tierschutz alarmiert? Selbst etwas unternommen?
Warum muss dieses Tier so leiden? Was denken die Menschen, wenn sie so ein Tier sehen? Wo ist das Mitgefühl?
Wir sollten alle mal tief in uns reinhören, können wir ein Lebewesen, dass krank und schwach ist einfach übersehen?
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Ich schreibe diese Zeilen aus unterschiedlichen Gründen.
Als erstes danke ich den Helfern nicht weggesehen zu haben! Und den Mut zu haben etwas zu unternehem, Hilfe zu suchen.
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Desweiteren möchte ich wachrütteln. Dieses Tier kommt nicht aus der „Pampa“, es war direkt vor den schönen Wohnhäusern der Menschen. Man kann nicht darauf warten, dass schon irgendjemand sich kümmert. Auch der Tierschutz kann sich nicht um jedes Tier kümmern, manchmal muss man einfach selbst was bewegen. Und wenn man Glück hat, dann kommt die Hilfe rechtzeitig.. Leider nicht für Sternchen.
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Und der dritte, sehr wichtige Punkt: Menschen, wacht auf, Kastration ist ein MUSS, damit so ein Leid verhindert werden kann. Diese kranken, verwahrlosten Tiere sind meistens das Ergebnis von Vermehrung wilder Tiere oder Haustiere die „nur mal kurz raus gehen“, alle müssen kastriert werden. Auch Katzenweibchen leiden, „Rolligkeit“ ist keine Freude!
Sternchen.
Ich hoffe die Zeilen ereichen und erweichen das ein oder andere Herz und man beginnt umzudenken. Tierschutz beginnt vor der Haustür.
Sternchen, ich war 2 Stunden an deiner Seite, habe dich bis zum Schluss gestreichelt und Abschied von dir genommen. Mir war egal wie du aussiehst, auch dein Geruch war mir völlig egal, ich bin nur froh, dass ich dir dein Leid nehmen konnte, auch wenn es dein letzter Weg war…